Als Chef von Porcupine Tree ist STEVEN WILSON der Liebling aller Prog-Fans – und genießt auch im Metal-Lager hohes Ansehen. Doch das reicht dem Briten nicht. Der Multi-Instrumentalist, Produzent, Solist und Kopf unzähliger Nebenprojekte will vor allem eines: frei sein vom üblichen Schubladendenken.

Auch wenn STEVEN WILSONs neues Album rein auf seinen Sound bezogen praktisch nichts mehr in einer Rock- und Metal-Zeitschrift verloren hat, dürfte uns Großbritanniens in die Pop-Hölle gefallener Prog-Engel noch länger erhalten bleiben. Immerhin scheint das Ende der synthetischen Fahnenstrange mit „The Future Bites“ erreicht und eine Rückkehr zu erdigen Klängen absehbar zu sein. Um den nicht immer schönen Schein ging´s dann auch in unserem jüngsten Gespräch mit ihm.

Nachdem schon „To The Bone“ (2017) kein naheliegendes Rock-Hard-Thema mehr war, dürfte das am 29. Januar erscheinende „The Future Bites“ endgültig alle konservativen Prog-Fans verprellen, bei denen STEVEN WILSON dank Porcupine Tree und seines frühen Solooutputs einen Stein im Brett hatte.

An der inneren Ruhe, die STEVEN WILSON üblicherweise ausstrahlt, ändert sich im Vorfeld der Veröffentlichung von „To The Bone” nichts, als er Anfang Juni in Berlin zu Interviews bittet. Dabei geht der Everybody´s Darling und Erneuerer des Progressive Rock mit der Scheibe ein mittelgroßes Wagnis ein, indem er mit Zutaten kocht, die auch der breiten Masse schmecken. Dabei büßt der Brite nichts von seiner Integrität ein und bleibt ein Denker ohne Dünkel mit teils diskussionswürdigen Ansichten.

Wenn jemand wie STEVEN WILSON hinter sich zusammenkehrt, liest er manchen Edelstein auf, wie „4 1/2“ demonstriert, ein Interimsalbum voller spannender Musik und Wegweiser für kommende Großtaten des Prog-Säulenheiligen, der wie immer völlig entspannt und bodenständig zum Interview bittet, um Zwischenbericht zu erstatten.

STEVEN WILSON hat mit „Hand. Cannot. Erase.“ ein extrem breit gefächertes Publikum vom Anzug- bis zum Kuttenträger begeistert. Und die nächste Platte des Briten steht schon vor der Tür.

Ziemlich albern, ungefähr alle fünf Minuten zu betonen, dass STEVEN WILSON, bekannt geworden als Kopf der auf Eis liegenden Porcupine Tree und seit 2008 als Solokünstler unterwegs, ein musikalisches Genie ist. Aber auch sein neues Album „Hand. Cannot. Erase.“, ein forderndes Konzeptwerk, präsentiert den 47-jährigen Engländer einmal mehr als wichtigsten Protagonisten des Prog. Ein Gespräch in der Bar des Kölner Hilton-Hotels - bei Kamillentee (Wilson) und - immerhin - Cappuccino (Rock Hard).

Niemand schafft es derzeit, so wunderbar organisch und gleichzeitig nie altbacken klingende Alben zu produzieren und abzumischen wie der britische Sound-Gourmet STEVEN WILSON. Kein Wunder, dass Bands wie Jethro Tull, Yes oder King Crimson bei ihm Schlange stehen, um sich von ihm ihre alten Klassiker aufpolieren zu lassen.