Titelstory-Blog Rock Hard Vol. 449 - Stärke und Verletzlichkeit
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Pic: Katja Kuhl (Promo)
28.10.2024, 12:00

ARCH ENEMY - Titelstory-Blog Rock Hard Vol. 449 - Stärke und Verletzlichkeit

Der raketenhafte Aufstieg, den ARCH ENEMY in den vergangenen zehn Jahren seit dem Beitritt der Kanadierin Alissa White-Gluz erlebt haben, kennt weiterhin keine Grenzen. Die Melodic-Death-Superstars befinden sich mit ihren schwedischen Landsleuten In Flames und Soilwork derzeit auf einer der größten Metal-Konzertreisen des Jahres und haben zudem bereits den Nachfolger der 2022 erschienenen Erfolgsscheibe „Deceivers“ in der Pipeline.

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Wir verabreden uns an einem verregneten Dienstagnachmittag im September mit Sängerin Alissa White-Gluz und Bandgründer Michael Amott zu einem ausführlichen wie ehrlichen Doppelinterview über die "Rising From The North"-Konzertreise, das Leben auf Tour, Heimweh, Erfolgsdruck, Selbstbewusstsein und Akzeptanz, bildende Kunst, das neue Studioalbum "Blood Dynasty" und Gitarrist Jeff Loomis´ Ausstieg. Das achtseitige Gespräch könnt ihr an dieser Stelle in voller Länge lesen. Nachfolgend einige Auszüge:

Kann es im Umfeld einer Band, die für ihre Energie und Brutalität bekannt ist, auch mal schwierig sein, Schwäche zu zeigen? Ich bekomme manchmal das Gefühl, dass von Seiten der Öffentlichkeit ein bestimmtes Image der Stärke und Furchtlosigkeit gefordert oder schlicht als selbstverständlich erachtet wird.
Alissa:
»Auf jeden Fall. Es ist mir tatsächlich erst in den vergangenen ein, zwei Jahren gelungen, mich damit zu arrangieren. Normalerweise findet dieser Prozess in den mittleren oder späten Dreißigern statt, wenn man sich selbst etwas besser kennt. Ich wünschte, ich hätte schon früher erkannt, dass es kein Problem ist, für sich selbst notwendige Grenzen zu etablieren. Früher war es mir viel wichtiger, die Leute zufriedenzustellen. Heute weiß ich, dass es auch für andere das Beste ist, meine eigenen Grenzen zu kennen. Es kann sein, dass ich mich irre, aber ich habe das Gefühl, dass sich der Zeitgeist mit Blick auf die Promi-Kultur verändert hat. Die Leute sehen Berühmtheiten zunehmend als menschliche Wesen und wissen es zu schätzen, dass auch wir Schwäche und Verletzlichkeit zeigen. Das gefällt mir. Natürlich möchte ich, dass die Band überlebensgroß wird, aber ich schätze auch die menschlichen Verbindungen, die ich zu den Fans aufbauen kann; sei es über Meet & Greets oder meine Patreon-Seite. Ich kann ich selbst sein, gleichzeitig aber auch die Persönlichkeit, die sie auf der Bühne sehen.«

Kann Metal heutzutage eigentlich noch rebellisch sein, wie er es früher in den Achtzigern war?
Alissa:
»Auf künstlerischer Ebene ist es heute sehr schwierig, komplett innovativ zu sein. Das ist ungefähr so, als würde man versuchen, eine neue Farbe zu erfinden. Das menschliche Auge kann nur eine bestimmte Anzahl von Farben wahrnehmen, und wir haben sie mittlerweile alle gesehen. Aber sie lassen sich immer noch auf verschiedene Weisen kombinieren, die interessant sein können. Für mich wird Metal dadurch rebellisch, dass man eine Überzeugung hat, an der man festhält. Lange Gitarrensoli und Schreie sind nicht mehr in Mode? Egal, wir bauen sie trotzdem ein. Seiner Sache treu zu bleiben, lässt sie letztendlich rebellisch werden. Außerdem denke ich, dass die meiste rebellische Energie erst durch Liveauftritte zum Ausdruck kommt. Ich erinnere mich an Konzerte von Bands, die auf Platte deutlich zahmer wirkten als auf der Bühne, wo sie dann aber eine gnadenlose Metal-Performance zum Besten gaben.«

Jeff Loomis ist nach neun Jahren ausgestiegen, für ihn hat Joey Concepcion an der Gitarre übernommen. Warum ist Jeff nicht mehr dabei?
Michael:
»Diese Entscheidung lag einzig und allein bei ihm. Wir versuchten, ihn umzustimmen, und fragten ihn, ob er sich wirklich sicher sei. Außerdem überlegten wir, was wir tun könnten, damit es für ihn besser funktioniert, aber letztendlich war es seine persönliche Entscheidung. Wir befinden uns im Jahr 2024, du kannst Menschen nicht mehr zwingen, in einer Band zu spielen (lacht). Um ehrlich zu sein: Das war natürlich wirklich schade, denn wir hatten ihn liebend gerne bei uns. Aber wenn eine solche Entscheidung einmal getroffen ist, lässt sie sich nicht mehr beeinflussen. Wir wünschen Jeff nur das Beste, ich habe erst kürzlich an seinem Geburtstag wieder mit ihm gesprochen. Wir sind immer noch gute Freunde, es gibt also kein böses Blut zwischen uns. Es ist so, wie Alissa vorhin meinte: Wenn du bei ARCH ENEMY spielst, weißt du, dass du dich für eine relativ lange Zeit in den Dienst der Band stellst. Damit kommt nicht jeder in jeder Phase seines Lebens klar. Wir werden in nächster Zeit nicht viel zu Hause sein, was für Jeff momentan keine Option ist.«


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